Die Mainzer Republik, oder: War da was? – Jörg Schweigards „Die Liebe zur Freiheit ruft uns an den Rhein”

Mainzer RepublikSchwer vorzustellen, aber es gab eine Zeit, in der es Schriftsteller und Gelehrte aus aller Welt nach Mainz am Rhein zog. Freimaurer, Illuminaten, Lesegesellschaften, Landsmannschaften – es war einiges los in der Stadt. Im Jahr 1789 erreichte zudem der Pariser Ruf nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit den Rhein – und die Toleranz des Mainzer Kurfürsten Karl Friedrich von Erthal seine Grenzen. Denn wo früher hinter verschlossenen Türen debattiert wurde, wurde nun öffentlich protestiert.
Jörg Schweigard berichtet in Die Liebe zur Freiheit ruft uns an den Rhein über die bewegten Jahre vor und während der kurzlebigen Mainzer Republik, die von Oktober 1792 bis Juli 1793 währte. Er stellt die zentralen Akteure der Zeit sowie ihre Organisationsformen vor, die schließlich zum ersten demokratisch gewählten Parlament auf deutschem Boden führten.

Lesenswert sind vor allem die Porträts der Mainzer Revolutionäre, hierunter der Weltbürger und Weltumsegler Georg Forster. Eindrucksvoll stellt Schweigard ebenso die Persönlichkeit des Universitätsprofessors Andreas Joseph Hofmann dar, der im März 1793 vom Balkon des Deutschhauses den „Rheinisch-Deutschen Freistaat“ ausrief und nach der Rückeroberung der Stadt durch Preußen ins Exil fliehen musste. Nach seiner Rückkehr erhielt Hofmann vom österreichischen Staatskanzler Fürst Metternich, seinem ehemaligen Mainzer Studenten, eine Einladung „aufs Schloss“, woraufhin Hofmann der Ansicht war, dass sich Metternich doch „gefälligst zu seinem früheren Lehrer hinabbegeben“ solle.

Was im Klappentext des Buchs (zu Recht) als „positives Erbe deutscher Geschichte“ dargestellt wird, lässt sich ebenso gut als bestgehütetes Geheimnis der Mainzer Regionalgeschichte bezeichnen. Unter Mainzer Historikern viel beachtet, findet die Mainzer Republik im öffentlichen Raum kaum statt. Ein Abschnitt der Heunensäule vor dem Dom erinnert unter anderem (aber immerhin) an einen der Freiheitsbäume der Mainzer Republik. Es dauerte zudem nur 220 Jahre (nämlich bis zum letzten Jahr), bis der Platz vor dem Deutschhaus, in dem das erste demokratische Parlament Deutschlands tagte, den Namen „Platz der Mainzer Republik“ erhielt.

Mainzer RepublikPlatz der Mainzer Republik

Zur Rezeption der Mainzer Republik findet sich auf der Website von regionalgeschichte.net der sehr lesenswerte Beitrag Die Mainzer Republik in der jüngeren Geschichtskultur, in dem Dominik Kasper unter anderem darauf hinweist, dass in der ZDF-Sendung Die Deutschen zwar über die deutsche Demokratietradition berichtet wurde, die Mainzer Republik jedoch in keiner Folge Erwähnung fand. So etwas hätte freilich nicht passieren können, wenn das ZDF seinen Sitz in Mainz hätte.

Die Liebe zur Freiheit ruft uns an den Rhein ist eine – auch für historisch nicht versierte Menschen – spannend zu lesende Darstellung der politischen Umbruchszeit, die zur Mainzer Republik führte. Erschienen ist das Buch im Casimir Katz Verlag, dessen Programmschwerpunkt unter dem Motto „Lesbare Geschichte“ steht.

Jörg Schweigard: Die Liebe zur Freiheit ruft uns an den Rhein. Aufklärung, Reform und Revolution in Mainz. 2005, 285 Seiten. Gebunden. Casimir Katz Verlag. ISBN 978-3-925825-89-7


8 Kommentare zu „Die Mainzer Republik, oder: War da was? – Jörg Schweigards „Die Liebe zur Freiheit ruft uns an den Rhein”

  1. Hallo Andrea, spannendes Thema mit dem ich mich auch eine Zeitlng beschäftigt habe. Schau mal bei Wikipedia nach Mainzer Jakobinerklub, Matthias Metternich und auf die Diskussionsseiten zum Artikel Mainzer Republik :-) Viele Grüße Martin

    1. Ja, das hatte er tatsächlich – und darum dachte ich mir, dass es endlich auch mal Zeit wird, dies in meinem Blog zu erwähnen. Ich erinnere mich übrigens mit Freude an die Georg Forsters in Deinem Shelfie. :-)

  2. Latha math, Andrea.
    Gelegentlich wird ja vermutet, daß der hartnäckige Obrigkeitsglauben deutscher Prägung viel mit der Splitterstaaterei vorheriger Jahrhunderte zu tun haben müsse. Daß beispielsweise die Franzosen aus ihrer gewachsenen Nation heraus, erst zu einer erfolgreichen großen Revolution fähig gewesen wären.
    Nette These, der lediglich abgeht, daß eben diese auch nur in einen Machtmißbrauch führte. Bis hin zu einem korsischen Corporal mit späteren Allmachtsphantasien.

    Ob die Verantwortlichen der Mainzer Republik solider hätten wirken können, war ihnen in der kurzen Spanne, bis zum Aufmarsch preussischer Bajonette, ja nicht als Möglichkeit gegeben.

    Anregende Buchthematik!

    bonté

  3. Danke für diese Buchempfehlung. Ich verbrachte einige Jugendjahre am Fuße des Hambacher Schlosses. Da war die M.R durchaus bekannt. Und die Frage, ob von ihr ein Pfad in den Vormärz führte, war Gegenstand rieslinggeschwängerter Diskussionsnächte. Jetzt, Dekaden später, gibt es sogar was zu lesen dazu.

    1. Ach, Du hast Mal am Fuße des Hambacher Schlosses gewohnt? Das ist ja interessant. Ich war vor ein oder zwei Jahren zum ersten Mal dort und war erstaunt, dort so viel über die M.R. zu finden. Ich hoffe, die rieslinggeschwängerten Diskussionsnächte hast Du beibehalten. :-)

  4. Vielen Dank für den Hinweis auf das Buch von Schweigard. (Wie ich gerade sehe, ist es gar nicht so neu sondern von 2005.)

    Franz Dumont forscht und publiziert übrigens sein ganzes Leben lang zum Thema, auch da gibt es viel Literatur. Der Landtag hat einige Publikationen zum Thema herausgegeben, die dort kostenlos erhältlich sind.

    Spätestens seit ich in Mainz bin (2008), ist die Mainzer Republik und speziell Forster auch wieder ein (Freizeit-)Thema für mich. Inzwischen musste ich mich da auch von so manchen Illusionen trennen, hat die Mainzer Republik viel von ihrem unschuldigen Glanz für mich verloren.
    Mehr dort: http://arabesken.juergen-luebeck.de/?s=mainzer+republik

    Erledigt und abgehakt ist da gar nichts.

    1. Vielen Dank, lieber Jürgen, für Deinen Kommentar – und auch für das Verlinken Deiner Beiträge (die hatte ich noch gar nicht gesehen) mit den weiterführenden Literaturhinweisen. Aus der Forschung gibt es in der Tat reichlich zu diesem Thema (im allgemeinen Stadtbild spiegelt sich die akademische Aufmerksamkeit jedoch nicht wider – und daran ändern auch exklusive Festakte/Vortragsreihen im Landtag nichts, zu denen „das Volk“ ja bekanntermaßen nicht in Massen strömt… :-) Wer Partei ergreift, muss vermutlich gezwungenermaßen seine Unschuld verlieren – daher stimme ich Dir zu, dass das Ganze tatsächlich noch lange nicht abgehakt ist. Der von Dir erwähnte Franz Dumont ist vor einigen Jahren gestorben, aber seine informative Website gibt es noch (für diejenigen, die am Thema interessiert sind oder frisch am Thema Interesse gefunden haben): http://www.mainzer-republik.de
      Danke Dir, Jürgen, und viele Grüße!

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