Magischer Realismus war gestern: Lateinamerika-Literatur im Rückblick

Nachdem danares.mag Anfang März den ersten Blog-Geburtstag feierte (und neuerdings auch in Facebook auf Leser wartet), möchte ich nun das erste öffentliche Lesejahr zur lateinamerikanischen Literatur rekapitulieren.

Wer zeitgenössische Literatur aus Lateinamerika abseits von Verkaufsgaranten wie García Márquez, Vargas Llosa oder Isabel Allende liest, wird feststellen: Lateinamerikanische Literatur ist witzig, unterhaltsam, tiefgründig, manchmal ganz schön brutal, meistens erfreulich kurz und bündig – und sie ist vor allem eines: auf der Höhe der Zeit.

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Denk ich an Mainz in der Nacht…


Von Mainz nach La PazKaiserstraße Mainz, 10. November 1938: „Dann gab es ein fürchterliches Krachen an unserer Wohnungstür, und bevor wir wussten, wie uns geschah, standen wir plötzlich einer großen Horde von Männern gegenüber […] Alles splitterte und brach in Stücke.“

Nachbarn sammeln die im Hof verstreute Kleidung auf. Am folgenden Tag schaut ein Polizist vorbei. Er verspricht der Familie, dass dem Vater, der sich auf dem Speicher versteckt, nichts geschehen werde. Aber danach, so Renata Schwarz in ihren Erinnerungen Von Mainz nach La Paz, war nichts mehr wie zuvor. Der Vater kann nach den Ereignissen vom 10. November acht Tage lang nicht sprechen: „Bei ihm war innerlich etwas zerbrochen.“  Renatas Familie flieht nach Lateinamerika.

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„Der Mensch ist schwerer als die Welt“: Der Señor Balboa von Jaime Saenz | Literatur aus Bolivien

„Der Señor Balboa, der haufenweise Geld hatte, aber dennoch erst an dritter Stelle nach dem Hund kam, war ein wortkarger Mann. Und wenn er Lust hatte zu lachen, ging er auf die Straße.“

jaime saenzSeñor Balboa ist ein reicher Mann, doch er leidet. Er leidet unter dem Leben und vor allem unter seiner Frau. Denn diese quält ihn, wann immer es nur geht. Glücklicherweise hat Señor Balboa aber auch Freunde. Da gibt es zum Beispiel Doktor Zuleta, genannt der Lahme, ein Apotheker und Theosoph mit Hang zum Pfirsichlikör. Mit ihm teilt er seinen Kummer.

Trost findet Señor Balboa auch bei seiner Geliebten Vidalita, die über die einzigartige Gabe verfügt, „Gepfeffertes ohne Pfeffer“ zu machen. Und wenn Señor Balboa ihr von den Quälereien seiner Ehefrau berichtet, dann „übertrieb er ein wenig, doch er sagte die Wahrheit”.

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