Farben-Flash im Londoner East End: Da stehen wir nun also, aus Shoreditch kommend, in der Brick Lane. Ecke Hanbury Street.
Wir befinden uns in Spitalfields, genauer gesagt, „südlich der großen Gleise“. Mit diesen Koordinaten hatte mich Zeilentiger kurz vor der Reise ausgestattet.
Mit mehr oder weniger offenen Armen nimmt die Brick Lane seit Jahrhunderten die Immigranten dieser Welt auf: die Iren, die Hugenotten, dann die osteuropäischen und russischen Juden, schließlich die Bengalen. Man beachte das zweisprachige Straßenschild:
Ein vermeintlich postkolonialer Charme ist es wohl, der die Brick Lane in jüngster Zeit zum Hot Spot für Hipster macht.
Doch die Brick Lane liegt immer noch im East End. Vermutlich darum ist der Lady auch gerade nicht so ganz wohl hier. Aus dem Taxi huscht sie hinaus, einen Meter nur – ungeschützt – bis ins Restaurant, und dann, nach den feinen Curry-Speisen, wieder huschhusch zurück in den Wagen. Mitten in Spitalfields, und gleich nebenan Whitechapel, da nimmt man doch besser die Beine in die Hand.
Auf Altab Ali wartete kein Chauffeur. Der Bengale wurde 1978 durch die Brick Lane gejagt und dann in Whitechapel ermordet.
Immer noch Brick Lane. Immer noch Ecke Hanbury Street.
In der Hanbury Street explodierte 1999 eine Nagelbombe. Mit seinen Anschlägen, so heißt es, wollte der Täter einen Rassenkrieg auslösen. Das hat nicht funktioniert. Vor langer Zeit, so heißt es auch, wurde in der Hanbury Street Annie Chapman von Jack the Ripper ermordet.
Der Brick Lane gen Süden folgend, erreichen wir Whitechapel. Whitechapel – zu erkennen an den Werbeplakaten für Jack-the-Ripper-Touren. „Not a wery nice neighborhood this, Sir“, lässt Charles Dickens seinen Sam Weller sagen. „It is not indeed, Sam“, entgegnet Mr. Pickwick.
Tagsüber, im Jahr 2015, scheint die Gegend nicht so schlimm. Obwohl: Flächendeckende Baustellen künden von neuen Hochhäusern, und very busy people reden sich vor dem Jack-the-Ripper-Pub die nächste Immobilienblase schön.
Abends haben wir in der Brick Lane noch eine Verabredung mit den „well-respected Ahmed Brothers of East London„. Dieses Mal nähern wir uns aus dem Osten, aus Bethnal Green. Und während wir in der Dunkelheit die gar überhaupt nie enden wollende Bethnal Green Road durchschreiten, begegnen mir aus den finsteren Seitengassen alle Bösewichte, die Dickens jemals durch Londoner Straßen laufen ließ. Das mag ich mir eingebildet haben. Doch diese Gesichter der Nacht habe ich tatsächlich gesehen:
Lektüren zur Brick Lane:
Tarquin Hall: Salaam Brick Lane. A Year in the New East End
Salman Rushdie: Die satanischen Verse
- Mehr London im Blog.
- Mehr Street Art im Blog.
Da fällt mir ein: Muss dringend mal wieder nach London.
lg_jochen
Schön, wieder etwas aus London zu lesen und zu sehen!
Brings back memories: Meine Jahre in Whitechapel. Alles Gute für 2016 ! Matthias
Dir auch alles Gute für 2016!
Oh, da haben wir uns ja nur um ein paar Tage verpasst! :-)
Ich habe gesehen, dass Du dort warst. :-))
Das Londoner East End übt eine seltsame Faszination auf mich aus, auch, aber nicht nur wegen Jack the Ripper. Interessante Lektüre: die Bücher von Jennifer Worth, die in den 50er Jahren als Hebamme im East End tätig war und die Lebensumstände anschaulich beschreibt. Inzwischen gibt’s sie auch als BBC-Serie „Call the Midwife“ :-)
Ahhh super, vielen Dank für den Tipp!! :-)
An angsteinflößende Gesichter in Whitechapel kann ich mich auch noch gut erinnern, als ich vor etwa 12 Jahren dort mal unplanmäßig am späten Abend von einem kaputten Bus ausgesetzt wurde. Seitdem ist das Viertel weit gekommen, was ich, wie gestehen muss, nur durch Zeitunglesen und Berichte deutscher Blogger weiß ;-) Wir müssen endlich mal einen Sonntagsausflug in die neue In-Gegend Londons planen ;-). Liebe Grüße und einen guten Start ins neue Jahr!
Ausgesetzt im East End – findest Du nicht, das ruft nach einem eigenen Text? :-) Ganz liebe Grüße & Dir ein hervorragendes Jahr 2016!
Ich fürchte, das ist schon so lange her, dass ich mich nicht mehr an die Einzelheiten erinnere. 😳 Ich wünsche Dir ebenfalls einen guten Start ins neue Jahr. Ganz liebe Grüße, Peggy
Da war ich schon jahrelang nicht mehr… die Fotos bringen schöne Erinnerungen :)